Die Verdrängung der Psyche

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Lieber Krank als unglücklich?

Dieser Tage bezeichnet ein Artikel im Handelsblatt „ADHS“ als psychische Störung (1), woraufhin viele angeblich Betroffene im Internet sogleich empört reagieren und behaupten, ADHS sei eine „neurologische“ Störung, eine andere „Hirnstruktur“, eine „Neurodiversität“, ein „Dopaminmangel“ im Gehirn, aber auf keinen Fall eine psychische. Man hat offensichtlich lieber kranke Kinder (und Erwachsene), als unglückliche (2).

Hier zeigt sich erneut die vorherrschende biologistische Sicht auf „ADHS“, die fast ausschließlich körperliche Ursachen behauptet und sucht, aber menschliche Erfahrungen und Umwelteinflüsse notorisch ausblendet. Wenn von psychischen Ursachen und Einflüssen die Rede ist, fühlen sich Menschen sofort schuldig an ihrem Leid, von Anderen nicht ernst genommen und in ihre Selbstverantwortung verwiesen. Das mag man eben nicht so gern wie das Narrativ von ADHS als angeborener Hirnfunktionsstörung, die mit „Ritalin“ (Methylphenidat) behandelbar sei. Das ist dann eben medizinisches Schicksal, aber keine persönliche Schuld.

Die wissenschaftliche Faktenlage interessiert dabei kaum. Immerhin hat man in Jahrzehnten teurer Forschung bisher keinerlei zuverlässige oder brauchbare Biomarker für ADHS gefunden, die Ätiologie ist nach wie vor unklar. Auch die späte Aussage des US-Psychiaters Leon Eisenberg, eines der prominentesten ADHS-Promotors, der maßgeblich für den Siegeszug von ADHS durch die internationalen Diagnosekataloge gesorgt hat, dass ADHS nämlich ein „Paradebeispiel für eine fabrizierte Krankheit“ sei, bleibt heute ignoriert (3).

Der Niederländische Professor Stephan Schleim sagt dazu: „Nicht ohne Grund scheiterte ja das Großprojekt der amerikanischen Psychiater, die Diagnosen ihres DSM-5 von 2013 auf ein neurobiologisches Fundament zu stellen: Für keine der mehreren Hundert darin unterschiedenen psychischen Störungen ließ sich auch nur ein einziges biologisches Diagnosemerkmal anführen, obwohl man seit über 170 Jahren danach sucht“. Stattdessen waren die Effekte psychosozialer Einflussfaktoren z.B. auf die Depression bis zu 8,5mal größer als alle bisher gefundenen genetischen (4).

Der Neurowissenschaftler Joachim Bauer hat schon vor mehr als 10 Jahren gezeigt, was es mit der Epigenetik, der Wissenschaft vom Einfluss von Umweltfaktoren auf unsere Gene, auf sich hat (5). Zusammenhänge zwischen Genen und ADHS können eben auch aus Umwelteinflüssen resultieren.

Solange die gegenwärtige ADHS-Forschung dies weiterhin ausblendet, bleibt sie für die Menschen ergebnislos.

(1) Handelsblatt https://tinyurl.com/3ctsnxhk

(2) Matthias Wenke https://tinyurl.com/4ydbmtr8

(3) Jörg Blech https://tinyurl.com/3zpr7xdb

(4) Stephan Schleim https://tinyurl.com/2j39x4s8

(5) Joachim Bauer: Das Gedächtnis des Körpers: Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern. Piper 2013

Unsere Arbeit

«Wir sind ein Zusammenschluss von namhaften Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen, die sich für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema ADHS einsetzen.»

Unsere Vision

«Unsere Vision ist es, die Öffentlichkeit zu ermächtigen, das gegenwärtige schulmedizinische ADHS-Konstrukt kritisch zu hinterfragen und damit der einseitigen Biologisierung kindlichen Verhaltens entgegenzuwirken».

Governance

Die Konferenz ADHS wird durch den Vorstand geführt und durch das Kuratorium beraten. Der Generalsekretär vertritt die Konferenz ADHS nach aussen.